Was sagt ein Zertifikat – und was nicht?
Wie oft begegnen Sie in Ihrem Alltag dem Begriff Zertifizierung – auf Verpackungen, Webseiten oder Angeboten? Und wie oft fragen Sie sich dabei: Was steckt wirklich dahinter? Wenn Sie als Unternehmer*in oder Führungskraft mit der ISO 9001 in Berührung kommen, stehen Sie schnell vor einer Grundsatzfrage: Muss es ein akkreditiertes Zertifikat sein – oder reicht auch ein nicht-akkreditiertes?
Diese Frage ist nicht trivial. Sie berührt zentrale Aspekte der Unternehmensführung: Sichtbarkeit am Markt, Vertrauen bei Kunden, interner Strukturaufbau und strategische Investitionsentscheidungen. Vor allem aber stellt sie die Frage nach der Vision: Was soll das Zertifikat in Ihrem Unternehmen bewirken – ein Häkchen für die Außendarstellung oder ein Impuls für echten Wandel?
Nicht-akkreditiert – was bedeutet das überhaupt?
Ein nicht-akkreditiertes ISO-Zertifikat ist – vereinfacht gesagt – ein Zertifikat, das auf Grundlage der ISO-Norm erstellt wurde, aber nicht durch eine offiziell akkreditierte Zertifizierungsstelle ausgestellt wird. Es ist wie ein unabhängiger Gutachter, der die gleichen Prüfkriterien verwendet, aber nicht Teil der „offiziellen Prüfkammer“ ist.
Diese Form der Zertifizierung ist vollkommen legal und regelkonform – sie richtet sich besonders an Unternehmen, die den Qualitätsanspruch der ISO 9001 leben möchten, aber nicht die hohen Einstiegshürden und Kosten einer akkreditierten Stelle tragen können oder wollen.
Für wen ist das sinnvoll – und warum gerade jetzt?
Viele kleine und mittlere Unternehmen – insbesondere in der Gebäudereinigung, im Sicherheitsgewerbe oder in der Metallverarbeitung – stehen unter starkem wirtschaftlichem Druck. Gleichzeitig wachsen die Anforderungen an Nachweisbarkeit und Struktur.
Doch nicht jedes Unternehmen verfügt über die Ressourcen für ein vollumfängliches, akkreditiertes Zertifizierungsverfahren. Genau hier kann ein nicht-akkreditiertes Zertifikat ein sinnvoller erster Schritt sein – nicht als „Light-Version“, sondern als Einstieg in einen echten Veränderungsprozess.
Die Voraussetzung: Sie verstehen das Zertifikat nicht als Selbstzweck, sondern als Werkzeug. Es kann helfen, ein Zielbild zu entwickeln, Mitarbeitende einzubinden und gemeinsam Strukturen aufzubauen, die Bestand haben – auch unabhängig vom Stempel auf dem Papier.
Der Veränderungsprozess beginnt nicht mit dem Zertifikat – sondern mit Ihrer Haltung
Erfolgreiche Zertifizierungen – ob akkreditiert oder nicht – scheitern selten an den Normanforderungen. Sie scheitern an mangelnder Klarheit im Unternehmen: Was wollen wir mit diesem System erreichen? Welche Prozesse sollen gestärkt werden? Wer sind unsere Multiplikatoren im Team, die diesen Weg mittragen?
Ein nicht-akkreditiertes Zertifikat gibt Ihnen Raum zum Lernen und Entwickeln, ohne sofort unter externem Auditdruck zu stehen. Es kann als Landkarte dienen, um sich zunächst intern zu orientieren, den Ist-Zustand zu reflektieren und erste Schritte in Richtung einer gelebten Qualitätskultur zu gehen.
Doch Vorsicht: Ein Zertifikat allein verändert keine Kultur. Es braucht Führungskräfte, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen – nicht nur für Dokumente, sondern für die Einbindung der Mitarbeitenden in den Veränderungsprozess.
Was sind realistische Vorteile – und wo liegen die Grenzen?
Ein nicht-akkreditiertes ISO-Zertifikat kann…
- Vertrauen bei Kunden und Auftraggebern schaffen, insbesondere, wenn Sie transparent kommunizieren, was dahinter steckt.
- Interne Klarheit schaffen, weil es Strukturen sichtbar macht, Verantwortlichkeiten definiert und Prozesse dokumentiert.
- Als Sprungbrett dienen, um später eine akkreditierte Zertifizierung effizienter und fundierter anzugehen.
- Kosten und Bürokratie reduzieren, gerade für Unternehmen mit wenigen Ressourcen.
Es ersetzt jedoch nicht:
- die Anerkennung durch öffentliche Ausschreibungen, die oft explizit ein akkreditiertes Zertifikat verlangen.
- die externe Vergleichbarkeit mit anderen Unternehmen im Rahmen formeller QM-Systeme.
- die nachhaltige Wirkung, wenn Führung und Kultur nicht mitziehen.
Fazit: Qualität ist keine Frage des Siegels, sondern der Haltung
Fragen Sie sich: Was möchten Sie mit einer Zertifizierung wirklich erreichen? Wenn Ihre Antwort „Vertrauen, Struktur und Entwicklung“ lautet, dann kann ein nicht-akkreditiertes ISO-Zertifikat ein gangbarer Weg sein – vor allem dann, wenn Sie es als Teil eines echten Veränderungsprozesses begreifen.
Nutzen Sie diesen Rahmen, um ein realistisches Zielbild zu entwerfen. Setzen Sie auf Multiplikatoren im Team, die mitgestalten. Schaffen Sie Dialogräume, statt nur Dokumente zu verwalten. Und denken Sie daran: Ein ISO-Zertifikat – gleich welcher Art – ist kein Ziel. Es ist ein Werkzeug.
Ein Werkzeug, das dann wirkungsvoll ist, wenn Ihre Vision klar ist und die Mitarbeitenden sich eingeladen fühlen, diesen Weg mitzugehen.